Demografischer Wandel: Gemeinde Aidlingen

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Was bedeutet der demografische Wandel für Aidlingen?

Die Gemeinde Aidlingen beteiligt sich zurzeit mit vier anderen Kommunen aus dem Landkreis Böblingen (Schönaich, Steinenbronn, Waldenbuch und Weissach) am baden-württembergischen Modellprojekt „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“. Erstmals wurde jetzt ein Demografiebericht für Aidlingen erstellt, der auf einer öffentlichen Gemeinderatssitzung vorgestellt und diskutiert wurde. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

Wie hat sich die Bevölkerungszahl in Aidlingen bislang entwickelt?

Die Bevölkerungszahl in Aidlingen erreichte im Jahr 2002 mit 9.306 Einwohnern ihren höchsten Stand. Danach sank die Einwohnerzahl auf 8.742 Einwohner im Jahr 2012. Seitdem nahm sie wieder leicht auf 8.801 Einwohner zu und stagniert seither etwa auf diesem Niveau.

Was sagen die Vorausberechnungen für die Zukunft?

Maßgeblich für die Vorausberechnungen der Bevölkerungszahlen sind zwei Faktoren: 1. Wie viele Menschen werden in einer Gemeinde geboren bzw. wie viele sterben im gleichen Zeitraum (Geburtensaldo)? 2. Wie viele Menschen ziehen zu bzw. weg (Wanderungssaldo)? Bei den Vorausberechnungen werden die Trends dieser beiden Entwicklungen kombiniert und in die Zukunft verlängert.

Die Abnahme der Einwohnerzahl im letzten Jahrzehnt beruhte vor allem auf einem negativen Wanderungssaldo. Nur in drei von elf Jahren (2002 – 2012) zogen ein etwas mehr Menschen nach Aidlingen zu als weg. Da die hohen Geburtenraten der Vergangenheit heute nicht mehr erreicht werden, kann das Geburtensaldo diese Abnahme nicht ausgleichen. Das Statistische Landesamt geht deshalb davon aus, dass Aidlingen bis zum Jahr 2030 leicht an Einwohnern verlieren wird. Nach dem „mittleren Szenario“ der Statistiker liegt die Einwohnerzahl dann bei etwa 8.600. Die Kommunalplanung sollte sich deshalb auf stagnierende bzw. leicht sinkende Einwohnerzahlen einstellen.

Wie wird sich die Altersstruktur weiter entwickeln?

Die Altersverteilung in Aidlingen entspricht – wie in ganz Deutschland! – schon lange keiner „Alterspyramide“ mit breites Basis und schlanker Spitze mehr. Heute bilden die 35- bis 65-Jährigen die wichtigste Altersgruppe. Dieser „Bauch in der Mitte“ wird sich bis zum Jahr 2030 noch weiter hin zu den älteren Jahrgängen verschieben. Vor allem die Altersgruppe der Senioren ab 65 Jahre wird deutlich zulegen, während die Jüngeren weniger werden (siehe Schaubild). Im Gegensatz zu den Vorausberechnungen der Bevölkerungszahl ist dies eine sehr sichere Prognose. Denn alle Menschen werden immer älter, nicht jünger.

Was bedeutet das für das Wohnen in Aidlingen?

Mit der älter werdenden Bevölkerung verändern sich natürlich auch die Bedürfnisse an die Wohnsituation und Infrastruktur: So braucht Aidlingen in Zukunft weniger Wohnungen und Häuser für Familien mit Kindern, aber dafür mehr altersgerechten Wohnraum. Wenn die Menschen im Alter auch in Aidlingen geeigneten Wohnraum finden, kann der Wegzug gebremst werden. Das heißt mit anderen Worten: Die Herausforderung für die Zukunft besteht nicht darin, in zusätzlichen Neubaugebieten mehr Familien-Wohnraum zu schaffen, sondern im Bestand einen qualitativen Wandel zu vollziehen. Verschiedene Berechnungen und Zahlen belegen, dass im Grunde bereits heute genügend Wohnraum für Familien vorhanden ist. So sank die Einwohnerzahl in Aidlingen von 2003 bis 2013 um etwa fünf Prozent, während die Zahl der Wohnungen um vier Prozent zugenommen hat. Häufig wird dies mit einem gewachsenen „Wohnraumbedarf pro Kopf“ erklärt. Aber das ist eine vorschnelle Interpretation: So ergab der Mikrozensus von 2011, dass zu diesem Zeitpunkt etwa 5,5 Prozent der Wohneinheiten leer standen. Eine aktuelle Leerstanduntersuchung der Gemeinde ergab, dass 120 der 2.413 Wohngebäude in Aidlingen leer stehen. Das entspricht einem Anteil von knapp 5 Prozent. Für die normale Fluktuation gehen Experten jedoch von einer Leerstands-Quote von 1,5 Prozent aus. Es gibt im Bestand deshalb ein Potenzial an Wohnraum, das bisher nicht oder zu langsam auf den Markt kommt.

Der demografische Wandel wird diese Effekte in Zukunft noch verstärken: Durch die älter werdende Bevölkerung wird in den nächsten Jahren eine Welle von Wohnungen und Häusern zu Leerständen, wenn sie nicht neu belegt werden. Um die Größenordnung dieser Entwicklung abzuschätzen, errechnete die Gemeindeverwaltung deshalb, in wie vielen Gebäuden der jüngste Bewohner 70 Jahre oder älter ist. In 403 der insgesamt 2.413 Wohngebäude ist dies der Fall. Es ist also davon auszugehen, dass rund 16,7 Prozent der Wohngebäude in den nächsten 15 bis 20 Jahren frei werden. Zusammen mit den bereits heute vorhandenen Leerständen ergibt das einen Anteil von über 21 Prozent der Wohngebäude, die in nächster Zeit für einen „Generationenwechsel“ zur Verfügung stehen. Es handelt sich dabei in vielen Fällen um Ein- und Zwei-Familienhäuser, die in den 50er bis 80er Jahren gebaut wurden und die potenziellen Wohnraum für junge Familien darstellen.

Das Schaubild zeigt, dass sich die Kurven der „Über 70-Jährigen“ und der „20- bis 35-Jährigen“ bald schneiden werden. Das heißt mit anderen Worten: Das Potenzial für einen „Generationenwechsel“ im Siedlungsbestand ist bereits heute groß und wird mittelfristig noch weiter zunehmen.

Mit jedem Jahr nimmt diese Entwicklung zu, weil die Bevölkerung immer älter wird. Daraus ergibt sich ein langfristiger Trend, der für die nächsten Jahrzehnte den Wohnungsmarkt stark beeinflussen wird. Die Gruppe der über 70-Jährigen wird in wenigen Jahren die Gruppe der 20 bis 35-Jährigen – und damit der potenziellen Nachfrager für Familienwohnraum – übertreffen.

Verhältnis der 20 bis 35-Jährigen zu den über 70-Jährigen

Welche Empfehlungen ergeben sich daraus für die Kommunalpolitik?

Auch in Aidlingen müssen sich Kommunalpolitik und Bürgerschaft auf die Veränderungen des demografischen Wandels einstellen. Die Herausforderung besteht weniger im Bevölkerungsrückgang, der vor allem die ländlichen Regionen in Baden-Württemberg betrifft; vielmehr erwächst die größte Herausforderung aus der Verschiebung der Altersstruktur. Wie überall wird es auch in Aidlingen zukünftig immer mehr Senioren und immer weniger junge Familien mit Kindern geben. Das hat zunehmend Auswirkungen auf den Wohnungs- und Häusermarkt.

In Aidlingen hat die Zahl der Wohnungen im letzten Jahrzehnt zugenommen, die Bevölkerungszahl jedoch abgenommen. Zwei Faktoren erklären dies: Die Zahl der Leerstände und die Altersremanenz. Damit ist gemeint, dass die Wohnfläche pro Person durch eine zunehmende Singularisierung im Alter zunimmt. Wenn bei einem älteren Ehepaar der Mann stirbt, verdoppelt sich die Wohnfläche der Witwe – ohne dass ihr Wohnflächenbedarf deshalb tatsächlich steigt.

Es gibt in Aidlingen bereits heute und zunehmend in der nahe Zukunft große Potenziale für einen Generationenwechsel im Siedlungsbestand. Die Herausforderung für Bürger und Kommunalpolitik besteht deshalb vor allem darin, die Wiederbelegung des frei werdenden Angebots für Familienwohnraum bestmöglich zu organisieren und gleichzeitig die Angebote für seniorengerechten Wohnraum zu verbessern.

Um zu diesen Fragen noch mehr Informationen zu erhalten, wird die Gemeindeverwaltung in Kürze allen Senioren über 75 Jahre einen Fragebogen zum Ausfüllen schicken. Darin werden Informationen zur Wohnsituation erhoben und anonym ausgewertet. „Wir bitten alle Senioren, die angeschrieben werden, um ihre Mitarbeit“, sagt Bürgermeister Ekkehard Fauth. „Denn wir brauchen diese Daten, um unsere zukünftige Stadtentwicklung auf eine fundierte Grundlage zu stellen“.

Informationsveranstaltung am 12.11.2015

Am 12.11.2015 fand im Sitzungssaal des Aidlinger Rathauses eine Informationsveranstaltung zum Thema altersgerechtes Wohnen statt, bei der auch das Umfrageergebnis vorgestellt wurde.

Altersgerechtes Wohnen in Aidlingen

Auf Einladung des Bürgermeisters Ekkehard Fauth kamen am 12. November 2016 rund 40 Seniorinnen und Senioren zu einer Info-Veranstaltung ins Rathaus, um sich über vielfältige Themen rund um das Wohnen im Alter und die Auswirkungen des demografischen Wandels zu informieren. Bereits heute bewegt das Thema viele Menschen. „Aber es wird in den kommenden Jahren noch viel wichtiger“, erläuterte Stefan Flaig vom Büro ÖKONSULT in seinem Vortrag. Wie in praktisch allen Kommunen im Land verschiebt sich auch in Aidlingen die Altersverteilung der Bevölkerung. Sie entspricht schon lange keiner „Pyramide“ mehr mit vielen jungen Menschen an der Basis. Vielmehr gibt es einen „Bauch“ in der Mitte, der durch die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre bedingt ist, und einem „schlanken Fuß“ bei den jüngeren Einwohnern. Dieser „breite Bauch“ wird in absehbarer Zeit langsam ins Rentenalter kommen. Die Altersgruppe der über 65-Jährigen wird deshalb in den nächsten 10, 20 Jahren diejenige sein, die am stärksten zunimmt. „Damit wird unweigerlich auch der Bedarf nach altersgerechtem Wohnraum steigen“, so Flaig. Gleichzeitig werden in den kommenden Jahren auch viele der in den 60er und 70er Jahren gebauten Einfamilien-, Reihen- und Doppelhaushälften frei werden. Die Zahl der Paare und jungen Familien, die nach Wohnungen und Häuser suchen, wird jedoch abnehmen. Hier öffnet sich also eine Schere zwischen Angebot und Nachfrage. Der Demografie-Experte Stefan Flaig empfiehlt deshalb allen Eigentümern, die einen Verkauf ihrer leer stehenden oder untergenutzten Familienimmobilie erwägen, diese Entscheidung nicht auf die „lange Bank“ zu schieben. Denn im Augenblick sind für Immobilen auf dem Markt noch sehr gute Preise zu erzielen.

Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter Senioren

Wie Senioren heute in Aidlingen leben und ob Bedarf für eine Veränderung ihrer Wohnsituation besteht, sollte eine Umfrage klären, die die Gemeinde vor kurzem durchgeführt hatte. Dazu wurden 627 Senioren im Alter von über 70 Jahren mit einem Fragebogen angeschrieben. Insgesamt 185 Senioren und damit ein erfreulich hoher Anteil von fast 30 Prozent hat den zweiseitigen Fragebogen ausgefüllt. Die wichtigsten Ergebnisse daraus: Rund 98 Prozent der befragten Senioren wohnen allein oder zu zweit in einer im Durchschnitt 48 Jahre alten Immobilie auf einer mittleren Wohnfläche von 126 Quadratmetern. Auf die Frage, wie groß denn eine als „geeignet“ empfundene Wohnfläche sein sollte, gaben die Senioren im Durchschnitt 73 Quadratmeter an. Auch bei vielen anderen Merkmalen zeigt die Umfrage, dass es deutliche Unterschiede zwischen der tatsächlich vorhandenen und der erwünschten Wohnsituation gibt. 55 Prozent der Senioren hätten gerne einen Aufzug, aber nur 3 Prozent haben einen im Haus. 44 Prozent wünschen sich einen Hausmeister, aber nur 2 Prozent haben so eine Hilfe vor Ort. Ein barrierefreies Bad wünschen sich 63 Prozent; immerhin 40 Prozent haben dies bereits. Bei der Frage nach dem Garten klafft dagegen eine größere Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit: 89 Prozent haben einen Garten, aber nur 14 Prozent halten dies im Alter für wünschenswert. Insgesamt zeigt die Umfrage: In vielerlei Hinsicht entspricht die Wohnsituation von Senioren nicht dem, wie sie es sich wünschen. Dass der größte Teil der Senioren in nicht altersgerechten Wohnverhältnissen lebt, kann auch Manfred Koebler vom Kreisseniorenrat nur bestätigen. Trotzdem wünschen sich die allermeisten älteren Menschen, so lange wie möglich in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung zu leben. In manchen Fällen können Umbaumaßnahmen die häusliche Situation verbessern. Damit dabei die spezifischen Bedürfnisse von Senioren besser berücksichtigt werden, hat der Kreisseniorenrat zusammen mit der Kreishandwerkerschaft und der DRK Wohnberatung ein Zertifizierungssystem geschaffen, an dem sich Eigentümer bei der Vergabe von Handwerkerleistungen orientieren können.

Herausforderung für die Kommunalplanung

Falls ein Umzug aus den eigenen vier Wänden sich einmal nicht länger aufschieben lässt, möchten die allermeisten Senioren in eine altersgerechte, barrierefreie Wohnung umziehen, die möglichst zentral in ihrer Kommune liegt. Daraus erwachsen enorme Anforderungen an die Stadtplanung und Innenentwicklung. „Wir brauchen deshalb verbesserte und bezahlbare Möglichkeiten für seniorengerechtes Wohnen zu Hause, in Wohngemeinschaften und in Heimen“, forderte Manfred Koebler von Kreisseniorenrat.

Als Fazit der Veranstaltung wurde deutlich: Man muss die Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Wohnungsmarkt, die sich verändernden Bedürfnisse der Senioren und die Wünsche der jungen Paare und Familien nach Wohnraum zusammendenken: Wenn es gelingt, mehr altersgerechten Wohnraum zu schaffen, können ältere Menschen ihre Wohnsituation verbessern und gleichzeitig werden Potenziale im Siedlungsbestand für junge Familien frei. Hier für alle Beteiligten angemessene Lösungen zu finden, ist eine große Herausforderung für die Kommunalplanung. Aber auch die Bürgerinnen und Bürger sind gefordert, sich mehr mit diesen Themen zu befassen.

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